Wenn man ’ne Weile Teil dieses Spiels ist, hat einen Graffiti doch schon an diesen oder jenen Ort der Welt geschickt, um die Wände anzumalen. Einladungen ans andere Ende der Welt stehen dann aber doch nicht jeden Tag auf dem Programm. Indonesien ist etwa 12000 km entfernt. Das bedeutet einige Stunden die Beine anziehen bei portioniertem Flugzeugessen und Starren auf winzige Monitore, auf denen grosse Unterhatltungskunst flimmert. Jakarta hat rund 10 Mio Einwohner, ist damit die grösste Stadt Süostasiens und ohne Graffiti hätte ich wahrscheinlich niemals die Chance gehabt, dort aus dem Flieger zu steigen.
Wenn man um den halben Erdball fliegt, darf man sich natürlich auch über ein paar Unterschiede nicht wundern. Beim Einsteigen waren es 2 Grad, man durfte auf keinen Fall den Schal vergessen, wenn man vor die Tür wollte und Lacken bei diesen Temperaturen war schon eher ne Frage des Stolzes und des Pflichtgefühls. 23 Stunden später hat es in der Nacht noch 25 Grad. Tagsüber sind bei über 30 dann doch schnell sämtliche Shorts und Unterhemden durchgeschwitzt. Der Verkehr lässt unsere Rushour aussehen wie einen Autofreien Sonntag, das Essen würde den meisten von uns jede Pore freipusten und den Termin- und Pünktlichkeitsstress legt man besserr ganz schnell ab.
Aber es geht ja hier um Graffiti. Nach eigenen Angaben hat die Szene in Indonesien etwa 15 Jahre auf dem Buckel – hat ihre ersten Schritte also schon hinter sich. Dafür ist sie aber – ähnlich wie bei uns in Deutschland in den 90er Jahren – unglaublich hungrig, wissbegierig, innovativ und euphorisch. Es gibt eigene Dosenbrands (teilweise mit dem „alten“ Capsystem) und unglaublich viele kleine Marken für Textilien über Drucke bis hin zu Schmuck. Das Interesse an der Geschichte und Entstehung der Kultur ist riesig und es gibt ein hohes Maß an Toleranz und sogar Förderung von Seiten der Bevölkerung. Egal ob Streetspots, die am hellichten Tag halblegal gemalt werden oder Tags, die nachts über Strassenzüge leiten: Eher muss man für ein Foto daneben posieren, als dass es Kritik oder gar Sanktionen hagelt.
Das Garduhouse – der Hauptveranstalter der ganzen StreetDealin Geschichte – hat ein Event aus dem Boden gestampft das sich nicht im geringsten hinter irgendeinem anderen auf der Welt verstecken muss. Ganz im Gegenteil: die Dokumetation und die Einbindung sozialer Netzwerke sind super professionell und hochwertig. Das Spektrum der ganzen Sause reichte von klassischer Fassadengestaltung am Hauptevent über das Aufwerten der Nachbarschaft durch Gestaltung kleiner Häuser und Gassen bis hin zu Ausstellungen, Parties, Skate- und Custombike Wettbewerben sowie Konzerten und einem grossen Markt der die lokalen Brands supportete. Es gab Interviews, Talkrunden und das alles ist nur das offizielle Programm. Nächtliches Beisammensitzen und Erfahrungen austauschen, Geschichten erzählen und Streetspots lacken, Fototour oder Deepfried-Küchen ausprobieren – das alles durfte natürlich auch nicht fehlen. Mein einziger deutschsprachiger begleiter RAWS aus Berlin und ich waren definitv überwältigt von der Freundlichkeit, die uns entgegenschwappte und das Händeschütteln wurde zur Umarmung mit Freunden. Grossartige Künstler, mit denen wir einige Tage verbringen und die Wand teilen durften und noch viel grossartigere Menschen, die wir kennenlernen durften. Ich bedanke mich vielmals für eine der schönsten Graffitierfahrungen der letzten 15 Jahre. Jakarta, ich hoffe wir sehen und bald wieder…